Ausführliche Biografie des Künstlers

Hans Haacke

 

1936    
Hans Haacke wird am 12. August in Köln geboren und wächst in Bad Godesberg auf.

1956-60    
Studium an der Staatlichen Werkakademie Kassel, der heutigen Kunsthochschule Kassel, unter anderem bei Stanley William Hayter, Marie-Louise von Rogister und Fritz Winter.

1959     
Durch die Vermittlung von Arnold Bode arbeitet Haacke als Werkstudent bei der documenta 2, wo er die Besucher*innen vor den Kunstwerken fotografiert (Fotonotizen, documenta 2). Im selben Jahr besucht er erstmals eine Ausstellung von Otto Piene in Bonn und nimmt Kontakt zu diesem auf.

1960
Abschluss des Studiums an der inzwischen in Staatliche Hochschule für bildende Künste Kassel umbenannten Akademie mit dem 1. Staatsexamen in Kunsterziehung. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ermöglicht Haacke einen einjährigen Aufenthalt in Paris, wo er Stanley William Hayters Kunstschule für experimentelle Druckgrafik „Atelier 17“ besucht.

1961    
Haacke erhält ein Fulbright-Studienstipendium und studiert an der Tyler School of Art an der Temple University in Philadelphia.

1962
Während seines einjährigen Aufenthalts in Philadelphia lernt Haacke Jack Burnham kennen, dessen Systemtheorie für ihn wegweisend wird. Im Anschluss zieht Haacke für ein Jahr nach New York City, wo er in der Wittenborn One-Wall-Gallery auf der Madison Avenue ausstellt. In diesem Jahr ist er erstmals an einer Ausstellung mit der Düsseldorfer Gruppe ZERO unter dem Titel NUL 1962 im Stedelijk Museum Amsterdam beteiligt, wo er Plexiglasarbeiten und Reliefs zeigt. Bis 1965 wird Haacke an insgesamt zehn Ausstellungen der ZERO-Gruppe in Italien, den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Deutschland teilnehmen.

1963
Haacke reist im August mit dem Bus nach Washington DC, um den Marsch der Bürgerrechtsbewegung mit der berühmt gewordenen Rede Martin Luther Kings zu besuchen. Anfang September kehrt er nach Köln zurück, da sein zweijähriges Studentenvisum nicht verlängert werden kann, und lehrt an der Pädagogischen Hochschule in Kettwig, der Modeschule in Düsseldorf (als Nachfolger Otto Pienes) und an anderen Institutionen

1963-67
Haacke entwickelt den Kondensationswürfel in einer kleineren (1963–1965) und einer größeren Variante (1963–1967).

1965
Erste Einzelausstellung in Deutschland unter dem Titel Wind und Wasser in der Galerie Schmela in Düsseldorf. Im November kehrt Haacke nach New York zurück, wo er nun dauerhaft lebt.

 

Hans Haacke mit seiner Welle-Skulptur, 1965
Rudi Blesh Nachlass, ca. 1900-1983. Archives of American Art, Smithsonian Institution
© Archives of American Art, Smithsonian Institution / Foto: Eric Pollitzer

 

1966-67
Haacke lehrt unter anderem an der University of Washington in Seattle, dem Douglas College der Rutgers University in New Jersey und dem Philadelphia College of Art. Im Januar 1966 findet seine erste Einzelausstellung in der Howard Wise Gallery in New York unter dem Titel Wind and Water statt. Im Oktober 1967 eröffnet eine Einzelausstellung in der Hayden Gallery am MIT in Cambridge, die 2011 unter dem Titel HANS HAACKE 1967 reaktiviert wird. Ab 1967 lehrt er zuerst als Dozent und später als Professor of Art an der Cooper Union for the Advancement of Science and Art in New York. Zu seinen Student*innen zählen unter anderen die Künstler Walter Dahn und Jiří Georg Dokoupil.

1968
Die General System Theory des Biologen Ludwig von Bertalanffy erscheint, welche Haackes Auseinandersetzung mit systemischen Theorien nachhaltig prägt.

1969
Am 13. Januar wird sein ältester Sohn Carl Samuel Selavy geboren, Haacke dokumentiert dies in dem Multiple Geburtsregistrierungsschein (Kollaboration Linda & Hans Haacke). Im Frühjahr nimmt er an der Gruppenausstellung Live in Your Head: When Attitudes Become Form (Works – Concepts – Processes – Situations – Information) in der Kunsthalle Bern teil, kuratiert von Harald Szeemann. Im selben Jahr verweigert Haacke die Teilnahme an der São Paulo Biennale aufgrund der Errichtung der Militärdiktatur in Brasilien und wird ab Herbst 1969 als Mitbegründer aktives Mitglied der Art Workers‘ Coalition (AWC). Unter dem Eindruck des Vietnamkriegs und der Ermordung Martin Luther Kings empfindet Haacke die dringende Notwendigkeit eines Gesellschaftsbezugs seiner Arbeit.

1970
Für die Gruppenausstellung Information im New Yorker Museum of Modern Art entwickelt Haacke eine Befragung der Museumsbesucher*innen, den MoMA Poll, der erstmals das Gesellschaftliche aktiv einbezieht. Er nimmt zudem an der Ausstellung Software im Jewish Museum New York teil.

1971
Haacke wird zu einer Einzelausstellung ins Guggenheim Museum New York eingeladen. Aufgrund der dafür realisierten Arbeit Shapolsky et al. Manhattan-Immobilienbesitz – Ein gesellschaftliches Realzeitsystem, Stand 1.5.1971 sagt der Direktor Thomas Messer die Ausstellung kurzfristig ab. Haackes Werke werden danach für etwa 15 Jahre nicht mehr in US-amerikanischen Museen gezeigt. In Köln eröffnet die Galerie Paul Maenz mit einer Einzelausstellung von Hans Haacke. Ab diesem Jahr nutzt der Künstler den von Seth Siegelaub entworfenen Vertrag (Artist’s Reserved Rights Transfer and Sale Agreement) für den Verkauf seiner Kunst. In diesem Vertragsformular werden erstmals die Mitsprache des Künstlers in Hinblick auf die zukünftige Verwendung des Kunstwerkes sowie die finanzielle Beteiligung des Künstlers und seiner Galerie an Gewinnen bei Weiterverkäufen definiert.

1972
Haacke nimmt im Oktober an der documenta 5 teil, im November folgt eine Einzelausstellung im Museum Haus Lange in Krefeld. Dort zeigt er die Installation Rheinwasseraufbereitungsanlage.

1973
Er erhält ein Stipendium der John Simon Guggenheim Memorial Foundation. Erste Einzelausstellung in der John Weber Gallery in New York, die Haacke zukünftig vertreten wird. Haacke unterrichtet als Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.

1974
Das für die Jubiläumsausstellung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln eingereichte Manet-PROJEKT '74 wird abgelehnt und am Tag der geplanten Presseeröffnung stattdessen in der Galerie Paul Maenz mit einer Reproduktion des Spargel-Stillebens von Édouard Manet gezeigt. Die Arbeit wird nach dieser Zensur institutionell erstmals in der Ausstellung Art Into Society – Society Into Art im Institute of Contemporary Arts (ICA) in London präsentiert.

1976
Haacke nimmt erstmals an der Biennale in Venedig teil.

1978
Stipendium des National Endowment for the Arts (NEA; Nationale Stiftung für die Künste), der einzigen staatlichen Kulturfördereinrichtung der USA auf Bundesebene.

1979
Gastprofessur an der Gesamthochschule in Essen.

1981
Für die von Laszlo Glozer und Kasper König kuratierte Großausstellung Westkunst konzipiert Haacke Der Pralinenmeister, eine Arbeit über den einflussreichen Kölner Sammler Peter Ludwig. Die Kuratoren entscheiden sich gegen die Präsentation des Werks, das stattdessen zeitgleich in der Galerie Paul Maenz in Köln gezeigt wird.

1982
Haacke nimmt an der documenta 7 in Kassel teil.

1984    
Ausstellung Nach allen Regeln der Kunst im Neuen Berliner Kunstverein n.b.k. im Kreuzberger Künstlerhaus Bethanien in Berlin direkt an der Mauer.

1987
Werke von Haacke werden bei der documenta 8 ausgestellt.

1988
Im Rahmen des steirischen herbst realisiert Hans Haacke die Installation Und Ihr habt doch gesiegt im Grazer Stadtzentrum: Er rekonstruiert die Ummantelung der Mariensäule in Form eines Obelisken, den die Nationalsozialisten 1938 als „Siegesmahl“ errichtet hatten, und widmet diesen 50 Jahre später den Opfern des NS-Terror-Regimes. Kurz vor Ende der Ausstellung verüben Neonazis einen Brandanschlag auf die viel diskutierte Arbeit.
1991    Haacke wird mit dem Distinguished Artist Award for Lifetime Achievement der College Art Association of America ausgezeichnet und erhält im selben Jahr den Deutschen Kritikerpreis für das Jahr 1990 sowie die Auszeichnung als Ehrendoktor für Bildende Kunst des Oberlin College, Ohio.

1993
Haacke realisiert im Deutschen Pavillon auf der Venedig Biennale die aufsehenerregende Installation GERMANIA, ein Trümmerfeld als Referenz auf die Rolle des Gebäudes im Nationalsozialismus und als Kommentar zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Dafür erhält er zusammen mit Nam June Paik den Goldenen Löwen der Biennale.

1994
Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.

1997
Haacke nimmt an der documenta 10 in Kassel teil. Er lehrt als Regents-Dozent an der University of California in Berkeley und erhält den Kunstpreis der Kurt Eisner Kulturstiftung.

1998
Ehrendoktortitel der Bauhaus-Universität Weimar.

2000
Nach intensiven Debatten im Bundestag richtet Haacke die Arbeit DER BEVÖLKERUNG im nördlichen Lichthof des Reichstagsgebäudes in Berlin ein.

2001
Für seine erste Einzelausstellung in Österreich in der Generali Foundation entwickelt der Künstler die Installation Mia san Mia, die gemeinsam mit früheren Arbeiten zu Geschichtspolitik und Identitätskonstruktion im lokalen Kontext gezeigt wird. Haacke erhält den Kunstpreis der Helmut-Kraft-Stiftung.

2002
Er wird von der College of Art Association mit dem Distinguished Teaching of Art Award geehrt.

2004
Würdigung von Haackes Arbeit durch den Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum.

2005
Erste Ausstellung Haackes in der Paula Cooper Gallery in New York, von der er seither vertreten wird.

2006
In den Deichtorhallen in Hamburg und in der Akademie der Künste in Berlin wird Haacke mit der zweiteiligen Retrospektive Wirklich – Werke 1959–2006 gewürdigt und erhält in diesem Jahr den Rolandpreis für Kunst im öffentlichen Raum.

2008
Ehrendoktortitel des San Francisco Art Institute.

2015
Mit der „Fourth Plinth commission“ am Trafalgar Square in London erhält Haacke einen der weltweit renommiertesten Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum und entwickelt den Geschenkten Gaul.#

2016
Ehrendoktortitel des Maryland Institute College of Art.

2017
Haackes Gesamtwerk wird mit dem höchstdotierten europäischen Kunstpreis der Roswitha Haftmann Stiftung gewürdigt.

2020
Haacke wird der renommierte Kunstpreis Kaiserring der Stadt Goslar verliehen.

 

Hans Haacke, MoMA Poll, 1970, Installationsansicht der Ausstellung Information, The Museum of Modern Art, New York, 1970
Courtesy der Künstler und Paula Cooper Gallery, New York
© 2024 Photo Scala, Florenz / Art Resource, Digital image, New York, The Museum of Modern Art, New York, Photographic Archive / Foto: Hans Haacke