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Hans Haacke

Retrospektive

Hans Haacke (* 1936) ist eine Legende der politischen Konzeptkunst – zugleich ist sein Werk hochaktuell und von großer Relevanz in der Gegenwart. Als Gründungsfigur der künstlerischen Institutionskritik hat Haacke das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft neu definiert und Generationen von Künstler*innen geprägt. 

Ab den 1960er-Jahren reflektiert Hans Haacke zunächst biologische, physikalische und ökologische Systeme, um dann soziopolitische Strukturen in den Blick zu nehmen und einer präzisen, oft schonungslosen Analyse zu unterziehen. So thematisiert er Machtmissbrauch, Mechanismen von Ausgrenzung und Ungleichheit, geschichtspolitische Verwerfungen, Verquickungen von öffentlichen Institutionen, Politik und Ökonomie sowie nicht zuletzt antidemokratische Tendenzen.

Die Ausstellung lädt dazu ein, die Aktualität von Hans Haackes Kunst neu zu entdecken und ihre Bedeutung für drängende Fragen unserer Zeit zu erfassen: Wie beeinflussen uns Kapital, Ideologie und Geschichte? Welche Bilder, Rhetoriken und manipulativen Strategien setzt der nationalistische Populismus ein? Wie steht es um die Komplizität des Kunstfeldes, aber auch um das kritische Potenzial der Kunst? Die Retrospektive beleuchtet die Vielseitigkeit dieses Werks in einer umfassenden Auswahl aus allen Schaffensperioden von 1959 bis heute und beinhaltet neben zahlreichen ikonischen Arbeiten insbesondere auch jene Projekte, die Hans Haacke speziell für den österreichischen Kontext entwickelt hat.

Die Ausstellung wird in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt gezeigt.

Kuratiert von Luisa Ziaja. 
Assistenzkuratorin: Katarina Lozo und Theresa Dann-Freyenschlag 

Belvedere 21

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag
11 bis 18 Uhr
Abendöffnung: Donnerstag
11 bis 21 Uhr
Adresse

Arsenalstraße 1, 1030 Wien

Anreise
Tickets
In Kooperation mit
Impressionen

Zur Ausstellung

 

Den Auftakt zur grob chronologisch angelegten Schau bilden Haackes physikalische, biologische und ökologische Experimente der 1960er-Jahre, darunter die berühmten „Realzeit-Systeme“ wie Großer Kondensationswürfel (1963–67). Sie belegen Haackes Auseinandersetzung mit der Gruppe ZERO, mit Ansätzen der Minimal Art, der Op-Art und der kinetischen Kunst, vor allem aber den nachhaltigen Einfluss interdisziplinärer Systemtheorien und Prinzipien der Kybernetik. Seine Praxis der Demonstration von Prozessen und Phänomenen überträgt Haacke in der Folge auf ökonomische, soziale und politische Systeme und erweitert sie um eine aus der faktischen Beobachtung abgeleitete (institutions-)kritische Hinterfragung.  

Haackes Sichtbarmachung von Zuständen und Strukturen durch die Auswertung meist öffentlich zugänglicher Daten stößt nicht selten weitreichende Debatten an. So macht Shapolsky et al. Manhattan-Immobilienbesitz – Ein gesellschaftliches Realzeitsystem, Stand 1.5.1971 (1971) Unternehmensverflechtungen zum Zweck der Immobilienspekulation sichtbar, während Manet-Projekt ’74 (1974) anhand der Objektgeschichte von Édouard Manets Spargel-Stillleben (1880) NS-Kontinuitäten in der Nachkriegszeit offenlegt. Die Beschäftigung mit der NS-Geschichte, ihren Kontinuitäten nach 1945 und ihren Auswirkungen bis in die politische Realität der Gegenwart zieht sich als Konstante durch das gesamte Werk des im (post-)nationalsozialistischen Deutschland aufgewachsenen Künstlers. 

Mit der Installation Und Ihr habt doch gesiegt (1988), die im Rahmen des steirischen herbst in Graz entstand, rekonstruiert Haacke ein NS-Siegesmal, transformiert es in ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus und trägt so wesentlich zu einer neuen Erinnerungskultur in Österreich bei. 

 

Sein preisgekrönter Beitrag für den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig, GERMANIA (1993), verwandelt diesen durch das Aufbrechen des in der NS-Zeit verlegten Marmorbodens in ein aufsehenerregendes Trümmerfeld als Kommentar zu Geschichte und Gegenwart des gerade erst wiedervereinigten Deutschland. Anlässlich der Installation veröffentlichte Haacke den Essay „Gondola! Gondola!“ im begleitenden Katalog. Eine seiner bekanntesten Arbeiten entwickelt der Künstler im Jahr 2000 für einen Innenhof des Berliner Reichstagsgebäudes: Der völkischen Ideologie der Fassadeninschrift „Dem Deutschen Volke“ setzt er die Widmung „Der Bevölkerung“ entgegen. Wir (Alle) sind das Volk (2003/17 – fortlaufend), ein für den öffentlichen Raum konzipiertes Banner, deutet den inzwischen von Rechten vereinnahmten Ausruf der Friedlichen Revolution in einen Appell für kulturelle Vielfalt und Toleranz um. 

Für die Ausstellung entstand die „Besucher*innenbefragung Belvedere 21“ (2025), deren 14 orts- und zeitspezifische Fragen laufend ausgewertet werden und ein wesentliches Ziel der Arbeit Hans Haackes unterstreichen: Die Formierung einer demokratischen Öffentlichkeit, eines Publikums, das sich seiner selbst bewusst wird, und das politisch denkt und handelt.

 

Biographie

 

Hans Haacke, Selbstporträt
Courtesy der Künstler

Hans Haacke (* 1936 in Köln) lebt und arbeitet seit 1965 in New York. Nach einem Studium an der Staatlichen Werkakademie in Kassel (1956–60) und Auslandsaufenthalten in Paris, Philadelphia und New York lehrte er 35 Jahre lang als Professor an der The Cooper Union for the Advancement of Science and Art. Zudem war er Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und an der Gesamthochschule in Essen sowie Dozent an der University of California in Berkeley. Er hält Ehrendoktorate für bildende Kunst am Oberlin College, Ohio, an der Bauhaus-Universität Weimar, am San Francisco Art Institute und am Maryland Institute College of Art. 

Ab den frühen 1960er-Jahren nahm Haacke an zahlreichen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen sowie an der documenta 5, 7, 8 und X (1972, 1982, 1987, 1997) und an der Biennale di Venezia (1976, 1993, 2009, 2015) teil. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Distinguished Artist Award for Lifetime Achievement der College Art Association of America, dem Deutschen Kritikerpreis für das Jahr 1990, dem Goldenen Löwen für den deutschen Pavillon auf der Biennale di Venezia 1993 (gemeinsam mit Nam June Paik), dem Kunstpreis der Kurt Eisner Kulturstiftung, dem Kunstpreis der Helmut-Kraft-Stiftung, dem Distinguished Teaching of Art Award der College Art Association, dem Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum, dem Bremer Rolandpreis für Kunst im öffentlichen Raum, dem Kunstpreis der Roswitha Haftmann Stiftung sowie dem Kaiserring der Stadt Goslar.

 

Ausführliche Biografie

Videos

Hans Haacke (Teil 1)

Hans Haacke (Teil 2)

Hans Haacke (Teil 3)

 

Hans Haacke (Teil 4)

Hans Haacke (Teil 5)

Hans Haacke (Teil 6)

 

Hans Haacke (Teil 7)

Hans Haacke (Teil 8)

Hans Haacke (Teil 9)

Programm

Ausgewählte Termine im Rahmen der Ausstellung. 

 

18. März

18:00 - 19:30

Hans Haacke, Mia san mia, 2001
Courtesy der Künstler und Paula Cooper Gallery, New York © Hans Haacke / Artists Rights Society (ARS), New York / Bildrecht, Wien 2025
Podiumsgespräch: Hans Haackes „Acts of Counter-Memory” im Postnazismus

Als eine Konstante durchzieht die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte, mit Kontinuitäten nach 1945 und Auswirkungen bis in die gegenwärtige politische Realität das gesamte Werk Hans Haackes. Das Gespräch beleuchtet seine Strategien einer kritischen „Gegen-Erinnerung“ im österreichischen gesellschaftspolitischen Kontext vor dem Hintergrund aktueller Diskurse der Erinnerungskultur.

Mit Sabine Breitwieser (Kuratorin, Autorin, Wien), Monika Sommer (hdgö, Wien), Nora Sternfeld (HFBK Hamburg)
Einführung und Moderation: Luisa Ziaja (Belvedere, Wien)

3. April

18:30 - 20:00

Hans Haacke, Nachrichten, 1969
Courtesy der Künstler und Paula Cooper Gallery, New York © Hans Haacke / Artists Rights Society (ARS), New York / Bildrecht, Wien 2025. Foto: Ellen Wilson
Katalogpräsentation und Gespräch: Hans Haacke. Retrospektive

Autor*innen des umfangreichen Ausstellungskatalogs Hans Haacke. Retrospektive beleuchten konzeptuelle, institutionskritische und politische Aspekte im Werk des Künstlers. Hubertus Butin (Kunsthistoriker und Kulturkritiker, Berlin) spricht über Haackes Beitrag zur Konzeptkunst, während Stephan Geene (Künstler und Autor, Berlin) infrastrukturelle Kritik als zentrales Element in seiner künstlerischen Praxis in den Blick nimmt. Vanessa Joan Müller (Kuratorin und Autorin, Wien) zeichnet das Verhältnis von Kunst und Politik in Haackes Werk nach.

Einführung und Moderation: Luisa Ziaja (Belvedere, Wien)

4. Juni

18:30 - 20:00

Franz Wanner, Mind the Memory Gap, aus der Text-Bild-Konstellation / from the text-image constellation Musterfolien, 2024
Courtesy of the artist
Lecture Performance: Franz Wanner. Mind the Memory Gap

In der Tradition von Hans Haackes institutions- und geschichtskritischer Praxis untersucht Franz Wanner heutige Auswirkungen der im NS-Regime massenhaft praktizierten Ausbeutung durch Zwangsarbeit. Sein künstlerisches Forschungsprojekt adressiert mit Fotografien, Texten, Filmen und Objekten gesellschaftliche Kontinuitäten und Lücken in der deutschen Erinnerungskultur.