Amoako Boafo. Aus Liebe zur Kunst

 

Amoako Boafo, Yellow Blanket, 2018
© 2024 Christie’s Images Limited
© 2024 Amoako Boafo / Licensed by Bildrecht, Vienna

Der ghanaische Maler Amoako Boafo gilt als Shootingstar der internationalen Kunstszene. Insbesondere seit den Black-Lives-Matter-Protesten sind Institutionen bemüht, sich ihrer blinden Flecken bewusst zu werden. Warum Boafos Soloshow Proper Love im Belvedere keineswegs nur „Hype“ ist, sondern, im Gegenteil, einen wichtigen Kreis in seiner Karriere und in der Geschichte des Belvedere schließt.

Text – Nada Chekh

Ausstellung Amoako Boafo. Proper Love

Unteres Belvedere,
nur noch bis 12. 1. 2025

Zur Ausstellung

Ausstellungsansicht Amoako Boafo. Proper Love, Unteres Belvedere
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

„Die Ausstellung im Belvedere ist für mich monumental.“

Amoako Boafo

Die Geschichte von Amoako Boafo klingt wie ein modernes Märchen: Geboren und aufgewachsen in der ghanaischen Hauptstadt Accra, begeisterte er sich von Kindesbeinen an für Malerei und verfolgte, entgegen jeder Vernunft, den Traum einer Karriere als Künstler. Das Handwerk erlernte er erst am Ghanatta College of Art, dann zog es ihn – auch der Liebe wegen – nach Wien, wo er an der renommierten Akademie der bildenden Künste aufgenommen wurde. Einst konnte er seine Bilder kaum für 100 Dollar verkaufen. Nun stellt er als gefeierter Star von Los Angeles bis Shanghai aus, und seine Werke werden auf dem internationalen Kunstmarkt mitunter für Millionenbeträge gehandelt. Eine Laufbahn, die für viele aufstrebende Künstler*innen unerreichbar bleibt. Auch Boafo wurde vor seinem internationalen Durchbruch von Galerien oftmals mitgeteilt, dass man Schwarze Künstler*innen aus Afrika nicht ausstelle.

In seinen Werken repräsentiert Amoako Boafo Menschen aus seinem persönlichen Umfeld oder Personen des öffentlichen Lebens, die ihn inspirieren – nicht umsonst lautet der Titel seiner bis dato größten institutionellen Werkschau im Belvedere Proper Love. Es ist unmissverständlich, worum es in seiner Kunst geht: Boafo zelebriert in erster Linie das Schwarzsein und zeigt Momente von „Black Joy“, also Szenen der Freude, die die Schwarze Kultur und Gemeinschaft ausmachen. Darüber hinaus nimmt er eine Identitätsfindung vor, die eigenständig aus der Schwarzen Community heraus und nicht in Abgrenzung von einer weißen Mehrheitsgesellschaft stattfindet.

Amoako Boafo, Green Handbag, 2021
Foto: Roberts Projects
© 2024 Amoako Boafo / Licensed by Bildrecht, Vienna

 

 

„Ich denke in Wien, weil ich dort die größten Widerstände zu überwinden hatte. Rückblickend passierte alles in Wien." 

Amoako Boafo auf die Frage, wo er seine besten Arbeiten geschaffen hat

Amoako Boafo, White Nail Polish, 2021
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © 2024 Amoako Boafo / Licensed by Bildrecht, Vienna

Genuine Porträts im Spiegel der Kunstgeschichte

 

Schon der panafrikanische Theoretiker und Soziologe W. E. B. Du Bois formulierte Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff „double consciousness“, mit dem er die duale Selbstwahrnehmung von Schwarzen Minderheiten beschrieb, die sich nicht nur durch ihren eigenen, internen Blick, sondern zwangsläufig auch durch den externen Blick auf sie durch eine weiße Mehrheitsgesellschaft wahrnehmen. Obwohl jüngst seine erste museale Soloshow mit dem Titel The Soul of Black Folk in Anlehnung an Du Bois’ gleichnamige Essaysammlung durch die USA tourte, will Amoako Boafo sich von derlei sozialpolitischen Begriffen fernhalten und setzt auf eine genuine Darstellung Schwarzer Persönlichkeiten.

Die Protagonist*innen stehen stets im Zentrum seiner Porträts, versprühen Selbstsicherheit, Leichtigkeit und gleichzeitig eine gewisse Coolness. Wie etwa in der Arbeit Sunset I (2021), in der sich eine Frau in einem weißen Badeanzug vor einem sonnigen Farbverlauf genüsslich streckt. Ähnlich sonnig geht es in Sunflower Field (2022) zu, wo ein Mann in einem türkisfarbenen Sakko von Blüten förmlich überwuchert wird.

Außerhalb seiner Heimat Ghana sah sich Boafo erstmals gezwungen, seine Praxis durch das Prisma des Kunstbetriebs zu sehen. „Bis ich nach Wien kam, hatte ich keine Gelegenheit, mich mit der Kunstgeschichte zu befassen und zu verstehen, was meine Arbeiten über das bloße Material hinaus bedeuten könnten“, sagt der 1984 geborene Künstler. 

Zwischen Sichtbarmachung und Zurschaustellung

 

Die Ausstellungspräsenz Schwarzer Künstler*innen ist in den letzten Jahren, insbesondere nach den Black-Lives-Matter-Protesten, deutlich gestiegen. Kurator Sergey Harutoonian sträubt sich vehement gegen den Vorwurf, dass es sich bei dieser neuen Aufmerksamkeit nur um eine Modeerscheinung handle. Kaum erhalten die Künstler*innen den Raum, den sie schon längst verdient haben, werde das mit dem Argument des „Hype“ zunichtegemacht. „Darin schwingt der Vorwurf mit, dass diese Werke nicht wegen ihrer Qualität ausgestellt werden, sondern lediglich aufgrund der Hautfarbe der*des Künstler*in interessant seien. Das halte ich für sehr problematisch“, so der Kurator. Viele Schwarze Künstler*innen wehren sich inmitten der Aufmerksamkeit dagegen, als Token für politische Debatten herhalten zu müssen. Der Grat zwischen Anerkennung und längst fälliger Sichtbarmachung sowie einer erneuten Exotisierung und Politisierung des Schwarzseins kann zuweilen schmal ausfallen. Nicht unbegründet geht Boafo sehr behutsam mit seiner Sichtbarkeit um, denn die Gefahr einer gewissen Selbstbeschmückung, die Institutionen besonders seit Black Lives Matter vornehmen, liegt trotz aller Sensibilisierung nahe.

Im europäischen Kunstkanon sind historische Darstellungen von Schwarzen Menschen oftmals dekorativ in Wandmalereien oder Fresken zu finden, als exotisierte und tribalisierte, unterwürfige Nebenfiguren. Umso wichtiger ist für Kurator Harutoonian, dass die Werkschau von Amoako Boafo im Oberen und Unteren Belvedere gezeigt wird und nicht im Belvedere 21, das auf zeitgenössische Kunst spezialisiert ist.

Amoako Boafo, Mr. Palm with the Yellow Ball, 2019
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © 2024 Amoako Boafo / Licensed by Bildrecht, Vienna

 

„Der Gründer des Belvedere, Prinz Eugen, ist in einem der bekanntesten Sammlungswerke des Museums mit einem Schwarzen Pagen porträtiert, der als dekoratives Bildelement namenlos bleibt. Amoako Boafos Kunst geht nicht zuletzt auf die wichtige Frage ein, wie Schwarze Menschen und People of Color in westlichen Museumssammlungen repräsentiert sind, und – bezogen auf seine Ausstellung in Wien – darauf, was es bedeutet, in Österreich Schwarz zu sein“, so Harutoonian. Der Künstler hebt letzteren Aspekt besonders hervor, wenn er festhält, dass die Ausstellung vor allem an die in Wien ansässigen Schwarzen Menschen und People of Color gerichtet ist, die sich für gewöhnlich nicht in Museen wiederfinden.

Podcast

Was bedeutet Proper Love für dich? 

Anna Gaberscik spricht mit Joy Adenike (Community Builderin und Aktivistin Schwarze Frauen Community ), Abiona Esther Ojo (Künstlerin), Denise van de Cruze (Schriftstellerin, Aktivistin und Unternehmerin) und Sergey Harutoonian (Kurator).

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Gewollter Kontrollverlust und viel Fingerspitzengefühl

 

Amoako Boafo, Papillon Hug, 2023
Courtesy Amoako Boafo, Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

 

Katalog zur Ausstellung 

Amoako Boafo. Proper Love

Herausgegeben von Stella Rollig und Sergey Harutoonian; € 29,80

Das Arbeiten mit dem Pinsel, wie er es an den Kunstinstitutionen in Ghana und Wien erlernte, sieht Amoako Boafo als Akt der völligen Kontrolle über sein Schaffen. Von diesen Regeln der akademischen Kunstpraxis will er sich lösen, indem er die Gesichter und Körper seiner Modelle ohne Pinsel, direkt mit den Fingern malt. Die vibrierenden, schwungvollen Farbwirbel, die dadurch entstehen, erlauben dabei eine gewisse Durchlässigkeit für Untertöne und Reflexe, lassen die Haut seiner Modelle organisch und lebhaft aussehen. Dieses nach außen gekehrte Innere gemahnt stark an die Bildsprache Egon Schieles – eine Inspiration, aus der Boafo kein Geheimnis macht. In seinen Werken sind zahlreiche Zitate und Referenzen auf andere Meister*innen der Moderne zu finden, von Gustav Klimt bis Maria Lassnig.

Dass es sich hierbei um eine gewisse „Aneignung“ handle, ein Begriff, der häufig in sozialpolitischen Debatten verwendet wird, weist Sergey Harutoonian zurück. „Jahrhundertelang haben sich westliche Künstler*innen afrikanische Kunst nicht nur angeeignet, sie haben sie auch buchstäblich gestohlen – so wie Picasso, der bekanntlich afrikanische Masken als Inspiration verwendete. Wenn jedoch Boafo als Vertreter einer Gemeinschaft, die historisch Ideen- und Motivgeberin war, die Bildsprache eines westlichen Künstlers für sich beansprucht, wirkt das fast schon unerhört.“

Der Kurator betont, dass die Verbindungen zu Schiele und Klimt in Boafos Werk häufig thematisiert werden, im selben Atemzug aber auch zeitgenössische Schwarze Künstler*innen wie Kerry James Marshall und Kehinde Wiley zu nennen sind. „Insofern ist das Argument der Aneignung nicht ganz so zutreffend wie im Falle von Picasso, dessen Inspiration unbekannt und ruhmlos blieb“, erklärt Harutoonian.

Die Reise begann beim Selbst – und in Wien

 

Amoako Boafo, Sunflower Field, 2022
Foto: Mariane Ibrahim
© 2024 Amoako Boafo / Licensed by Bildrecht, Vienna

Ein junger Mann liegt auf einem angedeuteten Diwan auf einer knallgelben Decke, ein Buch ohne näher spezifizierten Titel lesend. Unbekümmert, ja sogar selbstverständlich in seiner Nacktheit. Sein Blick ist zwar auf die Seiten des Buches gerichtet, dennoch scheint er sich seiner Wirkung bewusst zu sein. So zeigt sich Amoako Boafo – nicht ohne eine Prise Selbstironie – in Yellow Blanket (2018). Seine Selbstporträts, die vornehmlich in der Phase vor seinem internationalen Durchbruch entstanden sind, bilden ein wichtiges Kapitel innerhalb der Schau Proper Love. Viele seiner Protagonistinnen, denn er porträtiert besonders viele Frauen, sind Akteurinnen der heimischen Kunst- und Kulturszene: die Künstlerin Belinda Kazeem-Kamiński, die Leiterin der Schwarze Frauen Community Joy Adenike Breiner, die Fotografin Abiona Esther Ojo oder Leni Charles vom Modelabel Kids of the Diaspora. Daher ist naheliegend, dass begleitend zur Ausstellung das Belvedere mit Kids of the Diaspora kollaboriert und eine Exklusivkollektion mit T-Shirts und Postkarten erhältlich ist. Neben der Einzelausstellung gibt es im Oberen Belvedere zudem eine Gegenüberstellung dreier Gemälde Boafos mit zentralen Werken von Gustav Klimt und Egon Schiele.

Dass die erste umfassende Soloshow seines Werks elf Jahre nach seinem Umzug nach Österreich im Belvedere gezeigt wird, schließt für den Künstler persönlich einen Kreis. „Die Ausstellung im Belvedere ist für mich monumental. Es sind nicht nur nostalgische Gefühle, da ich so viel Geschichte in Wien habe, sondern es ist auch unglaublich für mich, meine Ausstellung in einem Raum und einem Gebäude zu planen, in dem ich zum ersten Mal viele historische Kunstwerke kennengelernt habe, die meine Praxis beeinflusst haben“, so Amoako Boafo.

 

Audiotour

In der kostenlosen Audiotour durch das Belvedere von und mit Historikerin Tayla Myree stehen Fragen nach der Repräsentation Schwarzer Menschen im Fokus.

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Amoako Boafo, Künstlerporträt, 2024
Foto: Alejandro Zaras / Courtesy des Künstlers und Mariane Ibrahim, 2024

Amoako Boafo (* 1984 in Accra) studierte am Ghanatta College of Art in Accra und ab 2014 an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 2017 wurde er mit dem Walter Koschatzky Kunst-Preis ausgezeichnet, 2019 mit dem STRABAG Artaward International. Boafos Porträts, die ein gegenwärtiges Bild von Schwarzer Identität und Selbstwahrnehmung repräsentieren, befinden sich in Sammlungen nationaler und internationaler Museen, etwa im Musée National d’Art Moderne, Centre Pompidou, Paris, im Guggenheim Museum, New York, und im Leopold Museum, Wien. Der Künstler lebt und arbeitet in Accra.