Das Arbeiten mit dem Pinsel, wie er es an den Kunstinstitutionen in Ghana und Wien erlernte, sieht Amoako Boafo als Akt der völligen Kontrolle über sein Schaffen. Von diesen Regeln der akademischen Kunstpraxis will er sich lösen, indem er die Gesichter und Körper seiner Modelle ohne Pinsel, direkt mit den Fingern malt. Die vibrierenden, schwungvollen Farbwirbel, die dadurch entstehen, erlauben dabei eine gewisse Durchlässigkeit für Untertöne und Reflexe, lassen die Haut seiner Modelle organisch und lebhaft aussehen. Dieses nach außen gekehrte Innere gemahnt stark an die Bildsprache Egon Schieles – eine Inspiration, aus der Boafo kein Geheimnis macht. In seinen Werken sind zahlreiche Zitate und Referenzen auf andere Meister*innen der Moderne zu finden, von Gustav Klimt bis Maria Lassnig.
Dass es sich hierbei um eine gewisse „Aneignung“ handle, ein Begriff, der häufig in sozialpolitischen Debatten verwendet wird, weist Sergey Harutoonian zurück. „Jahrhundertelang haben sich westliche Künstler*innen afrikanische Kunst nicht nur angeeignet, sie haben sie auch buchstäblich gestohlen – so wie Picasso, der bekanntlich afrikanische Masken als Inspiration verwendete. Wenn jedoch Boafo als Vertreter einer Gemeinschaft, die historisch Ideen- und Motivgeberin war, die Bildsprache eines westlichen Künstlers für sich beansprucht, wirkt das fast schon unerhört.“
Der Kurator betont, dass die Verbindungen zu Schiele und Klimt in Boafos Werk häufig thematisiert werden, im selben Atemzug aber auch zeitgenössische Schwarze Künstler*innen wie Kerry James Marshall und Kehinde Wiley zu nennen sind. „Insofern ist das Argument der Aneignung nicht ganz so zutreffend wie im Falle von Picasso, dessen Inspiration unbekannt und ruhmlos blieb“, erklärt Harutoonian.