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Egon Schiele

Selbstporträts und Porträts

Das Belvedere widmet Egon Schiele (1890-1918), einem der bedeutendsten österreichischen Künstler des 20. Jahrhunderts, eine umfassende Schau, in der erstmals seine Selbstporträts und Porträts in den Mittelpunkt gestellt werden.
 
Ausgehend von Werken im akademischen Stil gelang Schiele in einer Reihe von revolutionären Bildnissen die Überwindung der traditionellen Porträtauffassung und eine Neudefinition dieses Genres. In seinen Porträts versuchte der Künstler, ganz im Sinne des österreichischen Frühexpressionismus, die seelische Befindlichkeit seiner Modelle sichtbar zu machen. Gegen Ende seines Lebens wurde er neben Gustav Klimt zum bedeutendsten Porträtisten Wiens.
 
Ein wichtiger Moment für seine künstlerische Anerkennung war der Ankauf eines Bildnisses von Edith Schiele durch die Österreichische Staatsgalerie (heute Belvedere) im Jahre 1918. Dieser erste öffentliche Erwerb eines Gemäldes des Künstlers durch den damaligen Direktor Franz Martin Haberditzl bildete den Grundstein für die heute umfangreiche Schiele-Sammlung des Belvedere, die zahlreiche Hauptwerke des Künstlers umfasst.
 
Die Darstellung des Menschen bildet einen wesentlichen Aspekt in Schieles Œuvre, bei etwa einem Drittel der Ölgemälde seines reifen Werks handelt es sich um Porträts. (Die anderen beiden Drittel sind zu etwa gleichen Teilen Landschaften und allegorische Darstellungen.) Innerhalb von Schieles Zeichnungen und Aquarellen spielen Porträts und Selbstporträts eine noch größere Rolle. Betrachtet man Schieles Porträts und Selbstporträts in ihrer Gesamtheit, so zeigt sich eine unstimmige Mischung aus Revolutionärem und Konservativem: In dem einen Augenblick erweist sich der Künstler als Wegbereiter für neue, radikale Arten der Selbstbetrachtung, im nächsten kehrt er zur Konvention zurück.

Die Ausstellung präsentiert anhand von rund 100 Arbeiten - einige werden zum ersten Mal in Österreich gezeigt - Schieles künstlerische Entwicklung und seine außergewöhnlichen Leistungen als Porträtmaler. Sie folgt der Chronologie seines Werks und dokumentiert die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Porträts und Selbstporträts sowie Schieles fortlaufende Beschäftigung mit diesen Genres.
 
Schiele, den der Mensch als Bildthema bereits in seiner frühen Jugend anzog, tendierte dazu, andere im Spiegel der eigenen Person zu betrachten. In seinen bahnbrechenden expressionistischen Selbstbildnissen der Jahre 1910 und 1911 nahm er zahlreiche Persönlichkeiten an, erforschte seine eigenen Emotionen und projizierte die erhaltenen Antworten dann auf die von ihm in dieser Zeit porträtierten Personen.
Erst nach und nach entwickelte der Künstler eine objektivere Herangehensweise an die Menschen, die Teil seiner Lebenswelt waren. In derselben Zeit gewann Schieles Selbstgefühl an Konsistenz. Mit dem Stadium der Reife hatte Schiele ein feines Einfühlungsvermögen in die menschliche Persönlichkeit erlangt, und seine späten Bildnisse profitieren von denselben tiefen Einsichten, die bereits seine früheren Selbstporträts mit Leben erfüllten. Die Verknüpfung der Darstellungen mit der Brief-Korrespondenz zwischen dem Künstler und seinen Sammlern und Mäzenen wirft zudem ein neues Licht auf die für die Wiener Kunstszene jener Zeit charakteristische enge Bindung von Künstler und Auftraggeber.